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Ein dekoloniales Denkmal für den Dortmunder Hafen

Im Jahr 2024 wur­de nicht nur der Hei­mat­ha­fen Nord­stadt eröff­net, son­dern auf die­ses Jahr fie­len auch sowohl der 135. Jah­res­tag der Eröff­nung des Dort­mun­der Hafens durch Kai­ser Wil­helm II, sowie der 140. Jah­res­tag der soge­nann­ten „Kon­go­kon­fe­renz“ (inter­na­tio­nal: „Ber­lin Con­fe­rence“), auf der die Auf­tei­lung Afri­kas unter den euro­päi­schen Kolo­ni­al­mäch­ten beschlos­sen wurde.

Die Gleich­zei­tig­keit bei­der Jah­res­ta­ge mit der Eröff­nung des Hei­mat­ha­fens sind der Hin­ter­grund für ein Vor­ha­ben der Grün­Bau gGmbH und der Initia­ti­ve Deco­lo­ni­ze Dort­mund: ein deko­lo­nia­les Denk­mal für den Dort­mun­der Hafen.

Der Ent­wurf für das Denk­mal ent­stand im Rah­men des Pro­jekts „how to deco­lo­ni­ze hei­mat“, geför­dert durch die LWL-Kul­tur­stif­tung als Teil des The­men­jahrs „POWR! Post­ko­lo­nia­les Westfalen-Lippe“.

Durch eine im Juli 2025 von der Stadt Dort­mund beschlos­se­ne För­de­rung in Höhe von 120.000 € und eine wei­te­re För­de­rung der Bezirks­ver­tre­tung Innen­stadt-Nord kann der Ent­wurf nun auf dem Vor­platz des Hei­mat­ha­fens Wirk­lich­keit werden.


© Richard Opoku-Agyemang

 

Das Denkmal

Das Denk­mal zeigt eine höl­zer­ne Trans­port­kis­te, wie sie von der Kolo­ni­al­zeit bis heu­te für den Trans­port von Gütern genutzt wird, wel­che von einem Bao­bab (afri­ka­ni­scher Affen­brot­baum) über­wach­sen wird.

Die Trans­port­kis­te sym­bo­li­siert die bis heu­te andau­ern­de Aus­beu­tung des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents als Teil­aspekt der Kolo­nia­li­sie­rung und stellt einen his­to­ri­schen Bezug zu den Kolo­ni­al­wa­ren­händ­lern des Dort­mun­der Hafens her.

Der Bao­bab ist in wei­ten Tei­len Afri­kas behei­ma­tet und hat dort eine gro­ße öko­lo­gi­sche, tra­di­tio­nel­le und all­tags­prak­ti­sche Bedeu­tung. In der moder­nen afri­ka­ni­schen Lite­ra­tur ist der Bao­bab häu­fig ein Sym­bol für Wider­stands­kraft und Resi­li­enz afri­ka­ni­scher Gesell­schaf­ten. Er sym­bo­li­siert eine gewach­se­ne, selbst­be­wuss­te Dia­spo­ra aus den ehe­mals kolo­nia­li­sier­ten Län­dern im Dort­mund der Gegen­wart. Eine Gegen­wart, die über die kolo­nia­le Ver­gan­gen­heit hin­aus­weist, aber nicht getrennt von ihr ver­stan­den wer­den kann.

Errich­tet wer­den soll das Denk­mal auf dem Vor­platz des Hei­mat­ha­fens. Der Vor­platz des Gebäu­des gehört zum Grund­stück des Hei­mat­ha­fens, ist aber Teil des öffent­li­chen Raums der Spei­cher­stra­ße. Das Denk­mal ist der Öffent­lich­keit damit dau­er­haft frei zugäng­lich, wäh­rend Pfle­ge und Instand­hal­tung (inklu­si­ve Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht) durch die Stif­tung sozia­le Stadt (Päch­te­rin des Gebäu­des) bzw. die Grün­Bau gGmbH (Betrei­be­rin) über­nom­men werden.

Die Trans­port­kis­te wird in Holz­op­tik aus Beton gegos­sen. Der Bao­bab wird von einer Fach­fir­ma aus spie­gelnd beschich­te­ten Poly­car­bo­nat gefer­tigt und soll an der dicks­ten Stel­le des Stam­mes einen Durch­mes­ser von ca. 85 cm haben. Die Gesamt­hö­he beträgt knapp 4 Meter.


© Richard Opoku-Agyemang


© Richard Opoku-Agyemang

Warum in Dortmund? Warum am Hafen?

Auch wenn Dort­mund kei­ne Metro­po­le des Kolo­ni­al­wa­ren­han­dels war wie Ham­burg, so war Dort­mund doch ein „bedeu­ten­der Han­dels­platz für Colo­ni­al­wa­ren“ (Han­dels­kam­mer Dort­mund 1879).

In der For­de­rung der Han­dels­kam­mer nach einem Hafen von 1894 kam die Ver­sor­gung Dort­munds mit Kolo­ni­al­wa­ren an zwei­ter Stel­le nach der Ver­sor­gung mit Eisen­erz und allein im Jahr 1910 wur­den aus dem Dort­mun­der Hafen 12.000 Ton­nen Eisen­bahn­ma­te­ri­al in die Kolo­nien verschifft.

Zahl­rei­che Gebäu­de im neu­en „Hafen­quar­tier Spei­cher­stra­ße“ sind ehe­ma­li­ge Kolonialwarenlager:

  • Spei­cher­stra­ße 1: „Gebr. Rosendahl“
  • Spei­cher­stra­ße 8: „Städ­ti­sches Lager­haus“ (heu­te „Len­sing Media Port“)
  • Spei­cher­stra­ße 11: „Emil Schul­te“ (künf­tig „Kon­tor 11“)
  • Spei­cher­stra­ße 15: „Hein­rich Schre­er Colo­ni­al­wa­ren“ (heu­te „Hei­mat­ha­fen Nordstadt“)

Fer­ner gab es im nahen Fre­den­baum­park von 1879 bis 1914 zahl­rei­che „Völ­ker­schau­en“, die der Dort­mun­der Bevöl­ke­rung die pro­pa­gan­dis­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on für die ras­sis­ti­sche Aus­beu­tung der Men­schen in den kolo­nia­li­sier­ten Län­dern lieferten.


© Slg. Klaus Winter

Der Heimathafen Nordstadt

Das Gebäu­de des „Hei­mat­ha­fen Nord­stadt“ wur­de ab 1903 errich­tet und beher­berg­te ursprüng­lich das Lager des Dort­mun­der Kolo­ni­al­wa­ren­händ­lers „Hein­rich Schre­er Colo­ni­al­wa­ren“, spä­ter auch die Kaf­fee­rös­te­rei „Schre­er Kaffee“.

Heu­te ist der Hei­mat­ha­fen eine zen­tra­le Anlauf­stel­le für Neu­zu­ge­wan­der­te und bestehen­de Com­mu­ni­ties, in der viel­fäl­ti­ge Hilfs­an­ge­bo­te gebün­delt und ziel­ge­rich­tet an unter­schied­li­che Ziel­grup­pen wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Zu die­sen gehö­ren nicht weni­ge Men­schen deren Her­kunfts­län­der – und nicht sel­ten direk­te Her­kunfts­fa­mi­li­en – vom Kolo­nia­lis­mus unmit­tel­bar betrof­fen waren und es auf­grund sei­ner weit­rei­chen­den Fol­gen bis heu­te sind.

Daher stand für uns früh fest, uns mit der kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit des Gebäu­des aus­ein­an­der­zu­set­zen und die Men­schen, die in Dort­mund ihre neue Hei­mat sehen, dabei beson­ders mit einzubeziehen.

 


© D. Schreer


© Andre­as Buck

 

How to decolonize heimat

Als Teil des The­men­jahrs „POWR! Post­ko­lo­nia­les West­fa­len-Lip­pe“ der LWL-Kul­tur­stif­tung 2024 wur­de, in Koope­ra­ti­on u.a. mit Initia­ti­ve „Deco­lo­ni­ze Dort­mund“ und dem „Coll­ec­ti­ve of super­so­me­things“, das Pro­jekt „how to deco­lo­ni­ze hei­mat“ durchgeführt.

In 5 Modu­len mit ver­schie­de­nen Work­shops, Vor­trä­gen, par­ti­zi­pa­ti­ven Aus­stel­lun­gen und ande­ren For­ma­ten konn­ten sich alle Inter­es­sier­te mit unter­schied­li­chen Aspek­ten des Kolo­nia­lis­mus aus­ein­an­der­set­zen. Im Modul „how to build a memo­ri­al“ haben die Teil­neh­men­den, ange­lei­tet vom Dort­mun­der Künst­ler Richard Opo­ku-Agy­e­mang, einen Ent­wurf für ein kol­lek­ti­ves Denk­mal entwickelt.

Mit Mit­teln der Bezirks­ver­tre­tung Innen­stadt Nord sowie des Kul­tur­bü­ros Dort­mund wird die­ses nun vor dem Hei­mat­ha­fen errich­tet. Die Eröff­nung ist für Anfang 2026 geplant.


© Grün­Bau gGmbH


© B. Schreiter

 

Weitere Informationen

https://www.nordstadtblogger.de/die-finanzierung-fuer-ein-dekoloniales-denkmal-an-der-speicherstrasse-im-hafenquartier-steht/

Kom­men­tar zum Denk­mal aus der bodo 08–2025, S. 19 „Eisen­er­ze, Kolo­ni­al­wa­ren, Kar­tof­fel­sa­lat“ (png)

Pro­jekt­do­ku­men­ta­ti­on „how to deco­lo­ni­ze hei­mat“ (S. 20–23 State­ment des Künst­lers zum Denk­mal) (pdf)

Video zum Modul „how to deco­lo­ni­ze cof­fee“ https://www.youtube.com/watch?v=IKA8jm0Fmp4

Video der Tanz­per­for­mance „Mura­ko­ze“ https://www.youtube.com/watch?v=z9U_vtBmJRM

Quellen

http://www.dortmund-postkolonial.de/

http://decolonizedortmund.de/

Koc­beck, Peter (2022): Der Dort­mun­der Hafen – Eine Zeit­rei­se in Bil­dern und Erzäh­lun­gen. Hrsg Dort­mun­der Hafen AG, Hor­sch­ler Ver­lags­ge­sell­schaft mbH

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