An dieser Stelle veröffentlichen wir einen Artikel aus der Zeitschrift des Zentralrats der Sinti und Roma. Der Artikel ist für GrünBau insofern von Interesse, als das die Hälfte des Preisgeldes für die Inklusion von Roma an GrünBau ging. Die Ausgabe der Newess für das Jahr 2021 ist jüngst erschienen. Die Rechte für Bild und Text liegen beim Zentralrat.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erhielt den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma 2021
Die Kanzlerin wurde aufgrund ihres besonderen Einsatzes für die Minderheit der Sinti und Roma gewürdigt
Von Thomas Baumann, Politischer Referent
Am 17. August 2021 war es so weit: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erhielt im Bundeskanzleramt in Berlin aus den Händen des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose die Skulptur des Europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma. Die „echte“ Preisverleihung, die am 28. April 2021 aus dem Rosengarten in Mannheim im Fernsehen und im Internet übertragen wurde, musste coronabedingt ohne Publikum und ohne die Preisträgerin stattfinden. Angela Merkel war bei der würdevollen Festveranstaltung – die musikalische Begleitung kam von der Sopranistin und Bundessiegerin von „Jugend musiziert“ Scarlett Rani Adler und ihrem Pianisten Aureliano Zattoni live zugeschaltet und konnte die Zeremonie am Bildschirm verfolgen. Die Bundeskanzlerin ist die siebte Preisträgerin, die den mit 15 000 € dotierten Preis erhalten hat.
„Es war immer ein Anliegen der Bundeskanzlerin, auch die 600jährige Geschichte unserer Minderheit in Deutschland in das historische Gedenken mit aufzunehmen“, würdigte Romani Rose Angela Merkels Engagement für die Minderheit der deutschen Sinti und Roma. „2012 hat sie mit mir das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten
hinaus auch deutlich gemacht, dass die Bekämpfung des Antiziganismus für uns eine gemeinsame Aufgabe ist. Ihre Regierung hat 2019 eine Kommission berufen, die sich mit dem Antiziganismus auseinandersetzt und der Bundesregierung Empfehlungen gibt, um diesen Antiziganismus – der für viele Sinti und Roma die Ursache ist für Pogrome, für Übergriffe, für Rassismus, der uns in der Geschichte ausgrenzt – entgegenzuwirken“, so der Zentralratsvorsitzende weiter.
Durch die Zeremonie leitete Angelina Kappler, die Deutsche Weinkönigin 2019/20. Die angehende Winzerin und studierte Ernährungswissenschaftlerin ist selbst Angehörige der Minderheit und engagiert sich im Studierendenverband der Sinti und Roma. In der von ihr moderierten Gesprächsrunde zu Beginn der Veranstaltung hob der Preisstifter Manfred Lautenschläger neben Angela Merkels Wirken für die Minderheit der Sinti und Roma auch ihr Engagement für ein einiges Europa hervor: „Deutschland hat nach den Verbrechen der Nationalsozialisten eine besondere Verantwortung aus der Geschichte, auch gegenüber dieser Minderheit. Es hat daher die Pflicht, seinen Einfluss geltend zu machen, wenn Menschen diskriminiert und rassistisch ausgegrenzt werden, wie dies zum Beispiel in den Ländern Südost und Mitteleuropas der Fall ist. Die Bundeskanzlerin wird aufgrund ihres besonderen Einsatzes für die Minderheit der Sinti und Roma, für die Menschenrechte und die Einigkeit der europäischen Wertegemeinschaft ausgezeichnet.“
Die Laudatio auf die Bundeskanzlerin hielt der Preisträger des Jahres 2019, der ehemalige Staatspräsident der Slowakischen Republik, Andrej Kiska. Er betonte Angela Merkels Entschlossenheit und Tatendrang bei ihren Bemühungen, der deutschen Gesellschaft die Erinnerung an die tragische Vergangenheit zu vermitteln und sich für eine bessere Zukunft der Roma einzusetzen: „Und das nicht nur in Ihrem Heimatland, denn wie Sie zu Recht sagen, ist es sowohl eine deutsche als auch eine europäische Aufgabe.
Die Kanzlerin, die, wie sie betonte, von der Auszeichnung mit dem Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma persönlich sehr berührt war, forderte in ihrer Dankes rede erneut ein entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Antiziganismus: „Der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma ist weit mehr als eine persönliche Würdigung. Der Preis ist mit einer klaren Botschaft verbunden. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns für Bürgerrechte und Chancengleichheit für Sinti und Roma stark zu machen. Wir alle sind gefordert, uns gegen jede Form von Antiziganismus zu wenden – hierzulande und in ganz Europa.“
Die Gründe für die Entscheidung, die Kanzlerin mit dem Preis zu würdigen, sind vielfältig. Beispielsweise war die Übergabe des nationalen Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Jahr 2012in Berlin in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes ein wichtiger Meilenstein der Bürgerrechtsarbeit des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, der unter der Kanzlerschaft und mit persönlicher Unterstützung von Angela Merkel realisiert werden konnte. Damit hat Angela Merkel ein weltweit beachtetes Zeichen – insbesondere an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – gesetzt, dass aufgrund der Geschichte der Antiziganismus genauso geächtet werden muss wie der Antisemitismus. Die im Dezember 2018 von Bund und Ländern unterzeichnete „Bund-Länder-Vereinbarung betreffend den Erhalt der Gräber der unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgten Sinti und Roma“ kam auch dank ihrer großen Unterstützung zustande, und es war ihrer Intervention zu verdanken, dass die Bundesregierung mit den Ländern in einen konstruktiven Dialog über eine Regelung zum dauerhaften Erhalt der Grabstätten von Holocaust überlebenden getreten ist. Besonders hervorzuheben ist die Berufung der unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus durch die Bundesregierung unter ihrer Führung im Jahr 2019, deren Abschlussbericht im Sommer vorgelegt wurde. Die Kommission war ein weiterer Erfolg im Kampf gegen den Antiziganismus, der eng mit Angela Merkels Namen verbunden bleiben wird.
Das Preisgeld von 15 000 Euro spendete die Bundeskanzlerin an die Organisationen GrünBau gGmbH und ternYpe – International Roma Youth Network, die sich im In und Ausland für die Rechte der Sinti und Roma einsetzen. Das 2010 gegründete internationale Jugendnetzwerk ternYpe will Vertrauen und gegenseitigen Respekt von jugendlichen Roma und NichtRoma schaffen. Dafür vereint ternYpe verschiedene Jugendorganisationen aus ganz Europa, um junge Menschen zur aktiven Teilhabe an der Zivilgesellschaft zu ermutigen. Die GrünBau gGmbH setzt sich für die soziale Stadterneuerung in der Dortmunder Nord stadt ein. An der vielfältigen nachbarschaftlichen Hilfe vor Ort beteiligen sich Menschen aus über 13 Nationen, dar unter auch viele Roma. Daraus entwickelte GrünBau mehrere transnationale Projekte, darunter auch in Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens, wo viele Roma leben.
Livestream der Preisverleihung auf Youtube:
Hintergrundinfo:
Der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma
Vor dem Hintergrund der äußerst besorgniserregenden Menschenrechtssituation der Sinti und Roma in vielen europäischen Staaten – vor allem in Ost und Südosteuropa – soll der Preis ein Beitrag zur Wahrung und Durchsetzung der Bürgerrechte sowie der Chancengleichheit für die Angehörigen der Sinti und RomaMinderheiten in ihren jeweiligen Heimatländern sein. Gestiftet wurde der Preis von der Manfred LautenschlägerStiftung, die den Preis gemeinsam mit dem Zentralrat und dem Dokumentations und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma vergibt. Die Preisträger*innen sind der ehemalige polnische Außenminister Władysław Bartoszewski (2008), die ehemalige Präsidentin des Europäischen Parlaments Simone Veil (2010), der Menschenrechtskommissar des Europarates Thomas Hammarberg (2012), der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker Tilman Zülch (2014), die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (2016), der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska (2019) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (2021). 2019 wurde dem Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz Birkenau Piotr Cywińskiein Sonderpreis verliehen. https://dokuzentrum.sintiundroma.de/teilhabe/burgerrechtspreis/
Bildbeschreibung:
Am 17. August 2021 überreichte Romani Rose den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma an Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Im Bild: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und die Vorsitzende des Landesrats der Roma und Sinti Berlin-Brandenburg, Dotschy Reinhardt.